Mitteldeutsche Zeitung – 21. April 2016
…“Ich brauche keine Millionen/ mir fehlt kein Pfennig zum Glück/ ich brauch nur deine Liebe/ und Musik, Musik, Musik!” Marika Rökk hat das in dem 1939 erschienenen Revuefilm “Hallo Janine” geschmettert, am Sonntagnachmittag singt den Titel im Wittenberger Stadthaus Kristina Ackermann. Man nimmt es ihr ab, dass sie für Musik ganz viel übrig hat. Ihre wichtigste Aufgabe an diesem 17. April ist es jedoch, gemeinsam mit Wilfried Krüger das Jubiläumskonzert zu moderieren, mit dem das Paul-Gerhardt-Orchester der Kreismusikschule Wittenberg sein zehnjähriges Bestehen feiert.
Mit gutem Gespür
Maximal 600 Plätze, je nach Bestuhlung, gibt es im großen Saal des Stadthauses. Gut 500 Besucher sind es am Sonntag, so heißt es am Rande in der Konzertpause. Respekt! Die Zuhörer kommen auch nicht nur aus Wittenberg, sondern u.a. aus Gräfenhainichen, Jessen, Coswig und Zahna. Sie erleben zwei Stunden Musik, zum Teil mit Gesang und Tanz, dank Live-Übertragung auf eine Großleinwand gut sichtbar sogar für die hinteren Reihen. Erinnert wird auch an die Geschichte des Klangkörpers, der 2006 aus einer Initiative dreier Laienmusiker hervorging. Als Paul-Gerhardt-Instrumentalkreis, der das Projekt “Melodien für Senioren” ins Leben rief, spielte das Trio zunächst im Schleusner-Senioren-Stift. Mit Neuzugängen etwa in der Bläserbesetzung wurde man zum Salonorchester und vergrößerte wie berichtet seinen Aktionsradius, das Repertoire dito (siehe auch “Luise Stöbe zur Konzertmeisterin ernannt…”).
Heute stehen schon mal fast 30 Musiker auf der Bühne, Schüler sind die einen, Studenten, Berufstätige und Ruheständler die anderen. Als Orchester kommen sie in ihrer Freizeit zusammen, doch ist es dem Profigeiger und Kapellmeister Michael Marinov gelungen, aus den unterschiedlichen Temperamenten ein gut eingespieltes Ensemble zu formen. Marinov wirkte auch mal in der Anhaltischen Philharmonie Dessau; wie deren einstiger Chefdirigent und Generalmusikdirektor Antony Hermus, so verfügt auch er über die Gabe, andere zu begeistern und mitzureißen. Leidenschaft für die Musik und die Menschen sei wichtig, hat Hermus einmal gesagt. Davon abgesehen müsse ein Orchesterchef, egal ob im Profi- oder Amateurbereich, ebenso “Führungsperson” sein wie “Mediator”.
Marinov scheint es drauf zu haben, er hat zudem ein gutes Gespür dafür, was er seinen Musikern zutrauen kann. Dabei lässt die Stückeauswahl gerade für das Jubiläumskonzert weder an Vielfalt noch an Anspruch zu wünschen übrig. Ausgesucht festlich ist mit “Trumpet Voluntary” von Jeremiah Clarke der Auftakt, populär das Ende, als “I have a dream” (Abba) interpretiert wird, und volkstümlich schließlich das Finale, da gibt´s eine Kostprobe des Liedes “Funiculi, Funicula”. Dazwischen kann sich das Publikum an Opernklassikern ebenso erfreuen wie an beliebten Operettenmelodien. Es gibt Zeitgenössisches wie “Küssen kann man nicht alleine” (Max Raabe/Annette Humpe), Franz Lehárs “Wolga-Lied” wird geboten, ein Tango von Astor Piazzolla und vieles mehr. Mit “Geh aus, mein Herz und suche Freud” haben sie auch ein Lied ihres Namenspatrons Paul Gerhardt ins Programm genommen. Zur Feier des Tages wird das Orchester hier und da vom Kinderchor der Kreismusikschule unterstützt (Leitung: Mechthild Andersch). Und beziehungsreich zu den insoweit ausgewählten Werken (etwa beim Chor der Straßenjunge aus George Bizets Oper “Carmen” oder Jaques Offenbachs “Orpheus in der Unterwelt”) sind die Auftritte des Wittenberger Tanzstudios Porwol (Choreografie und Leitung: Roswitha Porwol).
22 Auftritte allein 2015
Das Orchester selbst beeindruckt nicht nur ob der Ensembleleistung, sondern auch mit Multitalenten in seinen Reihen. Ihnen gelingt es scheinbar mühelos, zwischen Instrumenten zu wechseln. Justin Lohrmann etwa spielt Geige, Klavier und Saxofon. Anna Jehle (Violine) vertritt ihren Vater Peter Jehle am Klavier. Oder Alexandra Anders: Die Flötistin erweist sich als begabte Sängerin. Freilich hätten es alle Mitwirkenden verdient, hier namentlich erwähnt zu werden, doch würde das den Rahmen sprengen. Da empfiehlt sich nur der Besuch eines der nächsten Konzerte des Paul-Gerhardt-Orchester. Möglichkeiten bieten sich manche, denn das Ensemble, das sich selbst als Bürgerorchester versteht, absolviert viele Auftritte, 22 Konzerte waren es allein 2015, und es wird längst auch außerhalb gewürdigt. Gefeiert wurde es am Sonntag im Stadthaus mit langanhaltendem Applaus….
Anmerkung der Kreismusikschule vom 18. April 2016: Bilder aus dem Konzert ab jetzt in der Galerie.