Spielen auf einem Hingucker

Mitteldeutsche Zeitung – 22. Juni 2011

…Fred Scheiter spitzt die Lippen und bläst. Ein sanfter, ruhiger Ton entfleucht dem großen Holzblasinstrument, dem man so etwas kaum zugetraut hätte, macht man sich etwa seine Größe bewusst: 3,70 Meter in zusammengebautem Zustand. Scheiters Alphorn besteht aus drei Teilen. “Das ist überall ein Hingucker”, sagt der 45-Jährige. Das längste Alphorn der Welt messe sogar 47 Meter, erzählt er.

Die Liebe dafür entfachte sich bei dem Lehrer der Kreismusikschule Wittenberg vor sechs Jahren. “Wir waren im Allgäu unterwegs, und aus Spaß blies ich in das Instrument eines Senners”, erinnert sich Scheiter, der auch die Bläsergruppe der Musikschule leitet. Dann war es um ihn, der bereits im Alter von vier Jahren mit dem Trompetenspiel begann, geschehen. Die einzelnen Töne werden nur durch unterschiedliche Lippenspannung und Atemdruck erzeugt. Dies erfordert Lippen- und Atemkraft. Doch die meisten bekommen das auf Anhieb hin, erzählt der Mann mit dem Schnauzer. “Man muss eben mit Gefühl blasen”, erklärt er.

Das “F” ist der Naturton des Instrumentes. Gleich nach dem Erlebnis im Allgäu hat sich Scheiter eines bestellt. Anfängerinstrumente bekomme man ab 900 Euro, so der Lehrer. “Wir sagen immer, es braucht 50 Jahre bis man ein Alphorn spielen kann: 49 Jahre wächst der Baum, ein Jahr übt man”, berichtet Scheiter scherzhaft.

Auch Scheiters Frau gibt Unterricht an einer Musikschule. Ihr Instrument ist das Akkordeon. Aber auch sie mag das Alphorn. “Es wirkt beruhigend, und ich kann den Stress des Alltags hinter mir lassen”, so Fred Scheiter. Da spiele der Lautstärkepegel keine Rolle.

Seine Leidenschaft verschlägt ihn sogar zum Alphornbläsertreffen in die Schweiz. Dort ist das Alphorn Nationalinstrument, eine Erfindung der Schweizer ist es aber nicht. Überall auf der Erde bauten sich insbesondere Hirten aus ausgehählten Stämmen oder Ästen Blasinstrumente. In den Alpen riefen die Hirten mit ihrem Horn zum Gebet und verständigten sich untereinander – schließlich ist der Ton fünf bis zehn Kilometer weit zu hören.

Laut werden kann es auch in der Gräfenhainicher Gartenstraße, wo sich die Außenstelle der Musikschule befindet, auch wenn Scheiter das Alphorn bläst, aber das störe nicht weiter. “Der Kollege nebenan spielt E-Gitarre”, scherzt Scheiter. Ein Platzproblem habe er in seinem Raum auch nicht….

…Seit einigen Monaten wird der Unterricht am Alphorn auch auf der Internetseite der Kreismusikschule Wittenberg beworben. Dabei war auch das purer Zufall. Musikschulleiter Markus Biedermann bat Scheiter zum Foto nach Wittenberg, dabei kam man ins Plaudern und schon stand fest: Das Alphorn muss ins Programm. Eine Anmeldung ist jederzeit möglich. “Solche Exoten bereichern das Programm der Schule”, freut sich Biedermann über das Engagement Fred Scheiters. Noch habe man zwar keine konkrete Bewerbung für das neue Kursangebot der Kreismusikschule, hoffe aber auf Schüler, die von einem anderen Blasinstrument zum Alphorn wechseln wollen….